Europäische Leitlinien für die Früherkennung von Darmkrebs
Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebserkrankung bei Frauen und die dritthäufigste bei Männern in Europa. Die Häufigkeit von Darmkrebs ist in verschiedenen europäischen Ländern unterschiedlich.
Bei Männern und Frauen ist die Sterblichkeit an Darmkrebs in Griechenland und Cypern am niedrigsten, in Ungarn am höchsten. Männer erkranken und sterben fast doppelt so häufig wie Frauen an Darmkrebs.
Darmkrebs gehört zu den Krebserkrankungen, die durch qualitätsgesicherte Früherkennung wirksam zurückgedrängt werden können, da sie in den meisten Fällen aus gutartigen Polypen oder Adenomen entstehen, die sich im Laufe der Zeit zu Darmkrebs entwickeln können.
Eine Früherkennung von Darmkrebs hat das Ziel, sowohl Adenome zu entdecken und zu entfernen als auch Darmkrebs möglichst früh zu entdecken und zu behandeln. Denn ein Darmkrebs, der sich noch nicht in Lymphknoten ausgebreitet hat (Dukes Stadium A und B), hat eine günstige Prognose.
Der Nutzen eines organisierten Darmkrebs-Screenings mit verschiedenen Früherkennungsmethoden (Guaiac-basierte FOB- Testbriefchen, verkürzte Darmspiegelung bis zum Sigmoid oder Sigmoidoskopie) wurde in kontrollierten, randomisierten Studien nachgewiesen. Die Darmkrebssterblichkeit wurde in diesen Studien um 11-21% bei FOBT und um ca 30% bei Verwendung der Sigmoidoskopie als Screeningmethode gesenkt.
Die Komplikationsraten bei der Früherkennung mittels Sigmoidoskopie bei der ersten Untersuchung sind niedrig: 0.02% oder 2 schwere Komplikationen (Perforationen, schwere Blutungen, kardiovaskuläre Zwischenfälle) auf 10.000 Untersuchungen. Leichte Komplikationen (z.B. leichte Blutungen,) sind etwa 10 mal häufiger: 2-5 pro 1000 Untersuchungen.)
Bei der bevölkerungsbezogenen Darmkrebsfrüherkennung mittels Testbriefchen außerhalb von Studien wurden je nach Testbriefmethode Beteiligungsraten bis zu 70% und eine Krebsentdeckungsrate von 1.2-2.3 pro 1000 erzielt. Die Entdeckungsrate von gutartigen Polypen bzw. Adenomen ist etwa 5-10 mal so hoch. (5-14.5 pro 1000)
Bei der Früherkennung mittels vollständiger Darmspiegelung ist die Entdeckungsrate von Adenomen oder Krebs wesentlich höher: bei 14.9-37.5% der Untersuchten wurde eine gutartige oder bösartige Veränderung festgestellt.
Für die Prognose früher Karzinome ist die Eindringtiefe der Invasion von Bedeutung . Die Wahrscheinlichkeit von Lymphknotenbefall steigt mit der Invasionszunahme, auch bei kleinen T1 Tumoren rasch an: bei minimaler Submucosa-Infiltration (sm1) nach der sog. Kikuchi-Klassifikation für nicht-polypöse (flache) Adenome beträgt das Rsisko des Lymphknotenbefalls nur 2%, bei intermediärer Inflitration (sm2) bereits 8% und bei tiefer Submucosa-Inflitration 23%. Analog bedeutet eine tiefe Invasion des Stiels bei polypösen Adenomen nach der Haggitt-Klassifikation ein höheres prognostisches Risiko.
Die Darmkrebsfrüherkennungsuntersuchung (Basis-Koloskopie), bei der Adenome entdeckt wurden, erfordert eine je nach Anzahl und Größe der gefundenen Veränderungen differenzierte Überwachungs- und Nachuntersuchungs-Strategie. In die niedrig-Risiko-Gruppe, deren Nachfolge-Koloskopie im normalen Darm-Krebsscreening (alle 10 Jahre) erfolgt, gehören die Personen, bei denen nur 1-2 kleine Adenome unter 10 mm Größe entdeckt und entfernt wurden. Eine Nachfolge-Koloskopie nach 3 Jahren wird für die intermediäre Risikogruppe, bei der 3-4 kleine Adenome oder wenigstens 1 größeres Adenom (zwischen 1-2 cm Größe) gefunden wurden, empfohlen. Die Hochrisikogruppe, die 5 oder mehr Adenome oder wenigstens 1 Adenom von 2cm Größe oder darüber aufweist, erfordert eine Nachfolge-Koloskopie innerhalb eines Jahres nach Basis-Kolospkopie.